Eine Fahrradreise mit Kindern? "Warum nicht?". Nachdem wir, Lea, Gregor und unsere Tochter Ronja aus Berlin, 2 Jahre lang vom einen Ende Amerikas bis zum anderen Ende radelten, folgt nun Teil 2 der Reise. Mit neuem Nachwuchs Mateo erkunden wir ab April 2016 den Süd-Westen Europas.
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A bicycle trip with a child? "Why not?". After we, Lea, Gregor and our daughter Ronja from Berlin cycled from one end of America to the other, the second big adventure is following. With our new family member Mateo we will explore the south west of Europa, starting in April.


Sonntag, 7. August 2016

Südfrankreich - Été

Canal du midi - Côte d'Azur - Provence - Massif Central - Limousin - Bretagne

Einen Monat ist es her, seit dem wir den letzten Blog hochgeladen haben. Wir waren auf der Suche und auf Besuch, hatten eine sich verabschiedende Festplatte im Gepäck und haben derzeit wenig Internetzugang. Zudem ist auch in Frankreich der Sommer in vollem Gange. Also warum nicht einmal einen Blog auslassen und dafür lieber in den Badesee springen? Die Franzosen sind ausgeschwärmt an die schönsten Orte dieses großen Landes, rollen mit ihren Caravans die Landstraßen entlang, mancheiner benutzt auch das Vélo für die private Tour de France, und trotz der vielen in- und ausländischen Touristen gibt es auch ruhige Ecken und sehr einsame Strecken in Frankreich zu entdecken. Dies war unsere Mission in den vergangenen Wochen und sie dauert nach wie vor an. 

Nach den Tagen im Hinterland Spaniens und der Überquerung der Pyrenäen dachten wir, dass ein Bad im Mittelmeer nun genau das richtige für uns wäre. Wie kommt man aber auf dem Vélo, der petite reine (kleinen Königin), einfach und elegant an das Mittelmeer? Man wage einen Blick auf die Karte und die Antwort ist klar: Canal du Midi. Es ist sogar eine Radstrecke verzeichnet - eine Aussicht, die das durch die quälende Bergfahrt noch arg geschwächte Herz schneller schlagen lässt. Eben dieser Kanal verbindet das Mittelmeer und den Atlantik miteinander. Dies schien somit rein objektiv betrachtet der einfachste Weg für uns zu sein. Wir wurden vorher schon oft auf diese UNESCO Welterbestätte hingewiesen und in der Radfahrliteratur hat der Canal den Status einer Legende. 

Alors, uns war schon nach fünf Kilometern langweilig. Links und Rechts des Kanals wachsen hohe Platanen, dahinter versperrt ein Damm den Blick auf das, was vielleicht sehenswert wäre, in kleinen Abständen kommen immer wieder Schleusen und mittendrin wabbelt eine braune Soße. Daran ändert sich nichts. 
Die einzige Abwechslung die geboten wird, sind wohlbetuchte "Abenteurer", die auf Hausbooten den Kanal befahren und an jeder Schleuse lange warten müssen bis sie die nächsten 2 spannenden Kilometer bis zur nächsten Schleuse schippern können. Je näher wir auf dem Kanalweg dem Mittelmeer kamen, umso schlechter wurde die Strecke. Oft konnten wir nicht einmal mehr einen Blick auf den Kanal wagen - der Weg hatte sich in einen holprigen Trampelpfad verwandelt und oft fehlte nicht viel und wir wären im Kanal gelandet. Ab Carcasonne nahmen wir dann wieder eigene Wege.

Diese eigenen Wege haben den entscheidende Nachteil, dass wir sie mit Autofahrern teilen müssen. Was in Portugal und Spanien nie ein Problem war, wurde in Frankreich schnell zur existenziellen Gefahr. Während ihre südeuropäischen Nachbarn eher zur Gemütlichkeit neigen, rasen die Franzosen und überholen sehr gerne knapp und viel zu oft in der eigenen Sicherheitszone. Nur auf den in unserer Michelin Karte mit weiß eingezeichneten Landstraßen fühlen wir uns wohl. Dafür müssen wir zwar oft größere Umwege in Kauf nehmen, können aber den Bauern bei der Arbeit zu sehen, uns mit Traktoren eine Rally liefern, durch die engen Straßen schöner Dörfer zirkeln oder im Besten Fall drive-by-Brombeer-Pflücking machen. Der entscheidene Vorteil ist, dass Lea mit Ronja auf Grund der motorfreien Ruhe Vorschule machen kann: Ronja sitzt in ihrem Anhänger, hat wahlweise ein Schreibheft auf dem Schoß und schreibt in Phantastisch, der universellen Kindersprache, rechnet Lea vor oder Lea und sie zählen die Kilometer bis zum nächsten Stop, Ronja sieht etwas am Wegesrand und stellt Fragen darüber oder sie malt, singt oder schaut sich die Comichefte an, die sie unlängst geschenkt bekommen hat und die sich mit jedem Regenschauer ein wenig mehr zersetzten. Die weißen Straßen sind also die erste Wahl. Kein Autolärm unterbricht Ronjas schellenden Gesang und auf ihnen enthüllt sich die wahre Schönheit Frankreichs. 

Unsere zweite Etappe, die am Mittelmeer, entpuppte sich schnell als absoluter Reinfall. Das schöne daran ist, wir wussten es vorher und nahmen die Frustration billigend in Kauf. Die gesamte Küste besteht im Prinzip aus einer langen Kette von Campinplätzen in jeder Preisklasse. Zwischendrin wummern ein paar grelle Badeorte, mit allem was man nicht braucht, in die urlaubsgeplagten Touristenmassen hinein und zerstören so noch den letzten Funken Wohlgefühl. Lea und ich dachten uns unseren Teil, Mateo schien davon unbeeindruckt zu sein und Ronja gefiel es sogar an den Ständen mit Bling-Bling-Glitzer-Schnick-Schnack vorbeizuschlendern - wir haben keinen Platz für einen aufblasbaren Delphin in Lebensgröße, obwohl das bestimmt sehr lustig aussehen würde auf meinem Gepäckträger. Wir Eltern wissen es natürlich besser, Kinder brauchen nicht unbedingt Strandspielzeug um Spaß zu haben. 
Am wenigsten Mateo, dessen Vorliebe es ist, sein Gesicht wie ein Vogelstrauss in den Sand zu stecken und sich die sandigen Hände in den Mund zu stecken oder auf Muscheln und Steinen zu kauen. 

Am Tag nach der großen Ernüchterung, dem verpatzten EM-Finale, nahmen wir den Zug und fuhren nach Avignon in das Haus von unseren Radfreunden Laurent und Anne. Die beiden sind selber gerade wieder auf Tour, waren aber so freundlich, uns ihren Schlüssel im Garten zu verstecken. Wir betraten ihr Haus, machten hinter uns die Tür zu und erholten uns von der Mittelmeerküste. Wir verordneten uns eine Ruhepause und schafften es tatsächlich einen ganz Tag einmal nichts zu unternehmen. Doch mit so einer Stadt wie Avignon vor der Tür, fiel es uns sehr schwer die Füße still zu halten und schon am zweiten Tag fuhren wir mit dem Bus in die Stadt. 

Die Klimax unserer Urlaubsstimmung sollten wir aber erst nach den Tagen in Avignon erreichen. Gemeinsam mit Leas Eltern machten wir einen Miniurlaub in einem Bilderbuchdorf der Provence, Lacoste. Hier ließen wir 3 schöne Tage verstreichen, deren Höhepunkt  Leas 30. Geburtstag war. Ein sonnenreicher Tag mit einem kulinarischem Finale im Sternerestaurant. 

Von Avignon aus fuhren wir das Rhonetal nach Norden und bogen nach Westen in das Tal der Ardeche (Gorge de l'Ardèche) ein. Dieses Tal bzw. die Panaromastraße mit zahlreichen Aussichspunkten ist wirklich sehenswert. Auf der Hitlist für Südfrankreich schafft es diese fantastische Schlucht unter die Top drei. 
Die restlichen Plätze der Top Ten Liste verteilen sich beliebig auf den Rest der Strecke zwischen der Ardeche und dem Massif Central. In dieser ruhigen und wenig touristischen Gegend fanden wir nach dem Hin und Her der ersten Tage in Frankreich endlich zu unserer Kontinuität zurück und fuhren in erstaunter Heiterkeit durch die Berge. Tagelang mäanderten wir in nordwestlicher Richtung über die kleinstmöglichen, den weißen, Straßen durch dieses sehr schöne Mittelgebirge. 
Es waren einsame Tage für uns. Die Franzosen bleiben ihrem Ruf treu und bestehen darauf, dass Französisch die einzig wahre Sprache ist. Wir kommen wie immer häufig ins Gespräch mit den Menschen am Rand unserer Strecke. Das, was wir vernehmen, ist das gleiche wie immer: woher, wohin, wie lange, wow! Darauf können wir gut auf Französisch antworten, doch dann ist es vorbei oder die Konversation wird mit spanischen Vokabeln fortgesetzt und mit Hand- und Fußlauten untermalt. Aber wir werden täglich besser! Die wohl längste Unterhaltung hatte ich in einem Radladen am Rande des Massif Central. Meine Kette riss in der Abfahrt vom 1588m hohen Pass de Peyrol erneut und wickelte sich samt Dereilleur um die Kasette - GAU. Das daran anschließende Werkstattgeplauder im Fahrradladen war wohl eine lustige Pantomimendarstellung für die anderen Kunden im Laden. Ronja übernimmt unseren Frust und regt sich mitunter auch darüber auf, dass die Kinder auf dem Spielplatz wieder nur Französisch gesprochen haben.  Zum Glück ist da noch Mateo, den sie bestens versteht. Ronja und ihm tut diese intensive gemeinsame Zeit gut. Die beiden haben etwas entwickelt, dass wir die Fünf-Minuten-Gaudi nennen. Wenn alle schlafbereit sind, halten wir uns zurück und geben die Zeltmanege frei für Ronja und Mateo: dann wird gerungen, versteckt und abgekitzelt. 

Eigentlich hatten wir vor, aus dem Massif Central noch weiter nach Westen durch das Limousin zu radeln, aber am zweiten Tag stellten wir unabhängig von einander fest, dass die Zeit für einen Tapetenwechsel gekommen war. 
Bis zum nächsten Bahnhof in Egleton war es nicht weit und in den folgenden 3 Tagen nahmen wir Regionalzüge nach Breves - Limoges - Portier - Tour - Nantes - Quimper. Wir sind in der Bretagne. Das Wetter schlägt eifrig Kapriolen im bretonischen Stil. Die Wortverwandtschaft mit Britannien kommt nicht von ungefähr, es regnet und stürmt. Scheint einmal die Sonne ist es unbeschreiblich schön, schön breton. Aber davon wird beim nächsten Blog zu erzählen sein.

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