Eine Fahrradreise mit Kindern? "Warum nicht?". Nachdem wir, Lea, Gregor und unsere Tochter Ronja aus Berlin, 2 Jahre lang vom einen Ende Amerikas bis zum anderen Ende radelten, folgt nun Teil 2 der Reise. Mit neuem Nachwuchs Mateo erkunden wir ab April 2016 den Süd-Westen Europas.
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A bicycle trip with a child? "Why not?". After we, Lea, Gregor and our daughter Ronja from Berlin cycled from one end of America to the other, the second big adventure is following. With our new family member Mateo we will explore the south west of Europa, starting in April.


Mittwoch, 13. April 2016

Einmal tief durchatmen und weiter geht´s!

Der Einstieg in einen neuen Blogeintrag gelingt mir normalerweise immer gut unter Zuhilfenahme eines Zitates. Diesmal fiel mir auf Anhieb keines ein, sodass ich mich in alten Einträgen auf die Suche nach einer Fährte nach mehr Inspiration machte. Da gibt es diesen Eintrag auf unserem Blog vom 31. März 2014 mit dem Titel 2 Jahre Ferien, in ihm schreibe ich vom "Drahteselkindergarten", einer Fantasterei Jules Vernes´, die ich ihm andichtete. 2 Jahre Ferien. Ferien wovon? Im März 2014 waren unsere langen Ferien in den Amerikas zu Ende. Jetzt enden erneut zwei Jahre Ferien, nämlich die vom Reisen, vom Leben als nomadische Familie, von der Einfachheit. Wir haben 2 Jahre Auszeit von diesem Lebensstil genommen, unterbrechen den Heimaturlaub und gehen zurück auf die Landstraße. 
Nun gut, ein Anfang ist gemacht, der Quell ist offen, ich bin auf der richtigen Fährte. 

Was haben die 2 Jahre in denen wir jetzt wieder dauerhaft an einem Ort leben gebracht und verändert?
Schlüpfen wir jetzt einfach nur in unsere Radklamotten und legen das Leben der letzten 2 Jahre ab und sind wieder die, die wir in den Amerikas waren? Oder hat der Lebensstil des Globetrotter in uns einen Platz eingenommen und uns einen anderen Blickwinkel auf das, was ein befreundeter nordamerikanischer Radreisender in Abgrenzung zum Leben als Radnomade, dem real life bezeichnet hat, einnehmen lassen? Wir haben uns auf jeden Fall Mühe gegeben, viel von dem Esprit der ersten großen Tour mit in unser Leben zu integrieren. Wir sind viel unterwegs, versuchen unsere Bedürfnisse einfach zu halten und sind selber zu Gastgebern anderer Reisender geworden. Die allseits bekannte Tretmühle des Alltags, die so zermürbend sein kann, lässt sich mit der Rückbesinnung auf dieses substanziellere Leben als Vagabund einfacher ertragen - das Joch ist leichter, die Fesseln lockerer. Aber trotzdem zerren im normal life ähnliche Kräfte an uns und konterkarieren unseren Wunsch so oft wie möglich in die Weite und Ruhe der Natur einzutauchen. Denn natürlich müssen auch wir arbeiten, Bildungsabschlüsse beenden und auch Ronja muss den Kindergarten besuchen. Dem können wir uns nur schwer entziehen und es birgt auch einen Reiz in sich. 

Wir waren überrascht, dass Ronja den Wechsel zwischen der frühen Kindheit auf der Landstraße und dem ganz und gar anderen Tagesrhythmus des Kindergartens mit großer Selbstverständlichkeit gemeistert hat. Die Reise hat keine bleibenden Schäden bei ihr hinterlassen und wir sind, wie wahrscheinlich die meisten Eltern mit ihren Kindern, immer wieder erstaunt über dieses nun nicht mehr ganz so kleine Wesen. Und da wir nun einmal bewiesen haben, dass es möglich ist, haben wir beschlossen auch mit unserem zweiten Kind Mateo auf Reisen zu gehen. Wie sollen wir ihm später erklären, dass seine große Schwester 2 Jahre auf dem amerikanischen Doppelkontinent die wichtigsten Entwicklungsschritte eines jungen Menschen gegangen ist und er nicht? Gut, 2 Jahre werden es diesmal nicht und es wird bestimmt auch weniger herausfordernd durch Westeuropa zu touren als z.B. auf Schotterpisten das Altiplano zu durchkreuzen, aber dennoch sind wir sehr gespannt wie die nächsten fünf Monate auf dem "Drahteselkindergarten" werden und wir als Familie zusammenwachsen.
Es ist wahrscheinlich nicht so sehr die Strecke, die die Besonderheit dieses Lebens darstellt, als dass wir es als Familie machen und unsere Emotionen in diesem Kreis teilen.

Logistisch ist das ganze Projekt eine ziemlich große Herausforderung. Ronja ist mittlerweile zu groß um den ganzen Tag im Anhänger zu sitzen. Sie möchte sich bewegen, es ihren Eltern gleichtun und in die Pedale treten. Dass sie noch zu klein ist, um größere Abschnitte mit dem eigenen Tourenrad zu radeln, haben wir auf unserer Probetour an Ostern festgestellt. Zu ihrem Glück gibt es aber noch eine sehr schöne andere Lösung um sich pedalierend am familiären Vorwärtskommen zu beteiligen: Weehoo. Was hier wie ein Ausruf des Entzückens ob einer rasanten Talfahrt mit dem Mountainbike klingt, ist in Wirklichkeit ein einrädriger Liegeradanhänger für Kinder ab 2 Jahre und sorgt zumindest bei Ronja für ein ähnliches Vergnügen. Fotos, Videos und ein ausführlicher Erfahrungsbericht zu diesem Teil folgen in den nächsten Monaten, denn Weehoo sponsort uns mit einem seiner Anhänger für diesen Trip und bittet darum. Lea und Ronja werden also das erste Gespann unseres Konvois bilden; leicht und schnell. Dahinter folgen die gemütlichen Herren mit den vollen Taschen und dem Doppelanhänger. 

Gewichtsmäßig liegen wir, trotz zweier Kinder, die es mit Kleidung und Ausrüstung zu versehen gilt, diesmal geringer als auf der Panamtour. Für die Reise durch das hoffentlich sommerlich milde Westeuropa packen wir keine warme Kleidung und keine dicken Schlafsäcke ein. Wir rechnen damit häufiger an Märkten vorbeizukommen und brauchen daher immer nur Proviant für zwei bis drei Tage einzukaufen. Die Versorgung mit Ersatzteilen und Fahrradwerkstätten ist sicherlich besser als auf 95 Prozent der Strecke auf der Panamericana. Nicht zuletzt aber sind wir inzwischen Profis und haben uns weniger als noch vor der ersten Reise von dem breiten Sortiment der Outdoorläden heißmachen lassen, auch wenn die Summe der Ausgaben die wir bisher dort gelassen haben das Gegenteil vermuten ließe. Es gibt einige essenzielle Dinge, die für uns unverzichtbar sind, Räder, Zelt, Schlafutensilien und die Küche zählen dazu, der Rest der Ausrüstung ist spartanisch zusammengestellt und immer unter dem Gesichtspunkt der Funktionalität für verschiedene Anwendungen ausgesucht. Wir haben Wochen damit zugebracht die Räder und die Ausrüstung der Panamtour wieder flott zu machen. An einigen Stellen mussten auch Dinge ersetzt werden. Wieder war die Vorbereitung auf die Tour ein eigener Prozess - lehrreich und freudvoll.
Auf der eben schon angesprochenen Probefahrt an Ostern haben wir gespürt, wie anders die Reise mit zwei Kindern sein wird. Diesmal gilt es zwei Kindern Aufmerksamkeit schenken zu können, es müssen beide versorgt sein, es muss beiden gut gehen - wir müssen uns in unseren eigenen Bedürfnissen etwas einschränken. Daher legten wir in der Vorbereitung auf die Reise auch ein großes Augenmerk auf die Solidität der Ausrüstung, denn es ist niemanden von uns geholfen, wenn der Kocher streikt und alle am Ende eines langen Tages nach Nahrung schreien. 

In den 2 Jahren in Amerika haben wir viele schöne Erfahrungen sammeln können. Die fast grenzenlose Gastfreundschaft, die uns, unabhängig vom Reichtum oder der Armut des jeweiligen Landes, fast überall entgegengebracht wurde, hat uns damals sehr berührt und unsere eigenen Einsichten in das Leben verschieben lassen. Die Begegnungen mit anderen Kulturen und den verschiedensten Menschen waren lehrreicher als jedes Studium - sie und die Erinnerung an die atemberaubenden Landschaften zwischen Alaska und Feuerland begleiten uns täglich. Allmählich und dies ganz besonders durch den Austausch mit unseren Freunden werden die Eindrücke konkreter. Es hat sehr lange gedauert, bis diese Flut von Impressionen einen ausreichend großen Platz in unseren Herzen finden konnte. Wir sind nun gespannt auf die Begegnungen auf der Paneutour (Paneu ist der Arbeitstitel der Tour und in Anlehnung an die panamerikanische Reise, die "Panam", entstanden. Hinter die Vorsilbe Pan- lassen sich noch leicht andere Kontinente setzen:-). 

Einen ersten Eindruck des Drahteselkindergartens könnt ihr euch hier verschaffen: https://vimeo.com/161884122
Lea hat dieses Video für den Ciclismo Classico Wettbewerb der Adventure Cycling Association in der Kategorie 48h Adventure gemacht.

Jetzt ist Schluss mit Ferien - back to real life.





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